Mediation bei der Güterichterin bzw. beim Güterichter
Die niedersächsische Arbeitsgerichtsbarkeit bietet seit langem Mediation bei einer Güterichterin/einem Güterichter an. Denn auch wenn man sich mit seinem Rechtsstreit bereits vor einem niedersächsischen Arbeitsgericht oder dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen befindet, kann Mediation beim Güterichter eine Lösung sein.
Insbesondere in den Fällen, in denen ehemals gute persönliche oder geschäftliche Beziehungen durch den Streit verloren zu gehen drohen und sich die Fronten nur noch verhärten, kann mit Hilfe einer Mediation beim Güterichter der Weg zurück an den Verhandlungstisch und einem vernünftigen Miteinander gefunden werden.
Mediation ist ein Verfahren, in dem die Streitparteien mit Unterstützung einer Mediatorin oder eines Mediators versuchen, eine einvernehmliche Lösung ihres Konflikts zu finden. Dabei hilft der Mediator den Beteiligten im Rahmen eines strukturierten Prozesses, Streitpunkte zu identifizieren und Lösungsoptionen zu erarbeiten. Die Entscheidung liegt jedoch ausschließlich in den Händen der beteiligten Parteien, die in der Regel selbst am Besten wissen oder erarbeiten können, wie der Konflikt zu lösen ist.
Mediation wird in allen niedersächsischen Arbeitsgerichten und auch bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen angeboten. Die Mediationen werden von in den Mediationstechniken besonders geschulten, nicht mit der Entscheidung des Falls befassten Richterinnen und Richtern mit großem Erfolg durchgeführt. Das Land Niedersachsen gehörte mit seinem Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen" zu den Vorreitern bei der Umsetzung dieser Idee.
Mit dem Mediationsgesetz (Link zum Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21. Juli 2012) hat der Gesetzgeber für dieses gerichtliche Angebot eine neue Bezeichnung eingeführt. In allen Gerichtszweigen kann das für die streitige Entscheidung zuständige Gericht die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche an einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Dieser kann dabei alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen. Die in der niedersächsischen Arbeitsgerichtsbarkeit tätigen Güterrichterinnen und Güterichter verwenden in ihren Güterrichterverhandlungen jedoch vorrangig die Technik der Mediation.
Der Ablauf einer Mediation ist strukturiert und gliedert sich grundsätzlich in folgende fünf Phasen:
Festlegung der Grundlagen
Die Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen den Konfliktparteien und dem/r Mediator/in werden festgelegt. Dabei erläutert der/die Mediator/in das Verfahren. Die Rahmenbedingungen (Verhaltensregeln, Vertraulichkeit, Organisation pp.) werden gemeinsam aufgestellt und etwaig offene Fragen geklärt.
Darstellung der Positionen der Parteien
Die Konfliktparteien erhalten gleichermaßen Raum und Zeit, ihre jeweilige Sichtweise des Konflikts darzustellen. Dabei stellt die Mediatorin/der Mediator sicher, dass die jeweilige Partei richtig verstanden worden ist und sich auch richtig verstanden fühlt.
Bearbeitung des Konflikts
Diese Phase dient der Erhellung der hinter dem Konflikt liegenden Bedürfnisse, Wünsche und Ziele, damit dem weiteren Verständnis der Parteien untereinander. Der/die Mediatorin versucht durch aktives Zuhören den Parteien dabei zu helfen, das hinter ihren jeweiligen Positionen liegende Interesse aufzudecken.
Lösungs-Optionen erarbeiten
Durch unterschiedliche Techniken werden Lösungsideen zusammengetragen. Die Ideen werden bewertet und geprüft, um diejenigen herauszufinden, welche am ehesten zu dauerhaften und tragfähigen Lösungen der Probleme führen.
Vereinbarung schließen
Die Parteien einigen sich auf die für sie gemeinsam beste Lösung. Die Phase dient zudem der Erstellung und Überprüfung einer schriftlichen Lösungsvereinbarung.
Das Mediationsverfahren beim Güterichter und bei der Güterichterin ist von folgenden Grundsätzen geprägt:
Freiwilligkeit
Die Grundlage eines erfolgreichen Güterichterverfahrens ist der freie Wille der Parteien, den Konflikt einvernehmlich lösen zu wollen. Der Gesetzgeber hat das Kriterium der Freiwilligkeit im Mediationsgesetz besonders hervorgehoben (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 5 MediationsG). Keine Prozesspartei ist verpflichtet, sich auf das Güterichterverfahren einzulassen. Sie kann auch jederzeit aus einem einmal begonnenen Güterichterverfahren aussteigen. Weder muss sie dies begründen noch kann ihr deshalb ein Nachteil entstehen.
Vertraulichkeit
Für den Erfolg einer Mediation ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Gespräche in einer offenen, vertrauensvollen Atmosphäre geführt werden. Aus diesem Grund kann es sehr wichtig sein, dass Inhalt und Ablauf der Güterichterverhandlung vertraulich bleiben. Dieses muss allerdings im Einzelfall gesondert vereinbart werden, da das Mediationsgesetz in § 4 nur den/die Mediator/in (und von ihm etwaig hinzugezogenen Personen) nicht jedoch die Parteien und ihre Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Frage der Vertraulichkeit wird regelmäßig zu Beginn der Verhandlung angesprochen.
Neutralität
Die Güterichter:innen sind beiden Parteien gleichermaßen verpflichtet (§ 2 Abs. 3 MeditationsG). Zu ihren Aufgaben gehört es, sich unvoreingenommen und allparteilich darauf zu konzentrieren, die Sicht beider Seiten zu verstehen und dabei auch den Parteien zu helfen, einander (besser) zu verstehen.
Informiertheit und Offenheit
Ziel der Mediation ist eine Lösung des Konflikts der Parteien, also in aller Regel eine Vereinbarung der Parteien, mit der die aufgetretenen Probleme gelöst werden. Um einen solchen Vertrag erarbeiten zu können, müssen beide Seiten über den zugrundeliegenden Sachverhalt und die maßgeblichen Bedingungen hinreichend informiert sein. Daher sollen Konfliktparteien alle Informationen, Tatsachen und Belege, die für den Konflikt wichtig sind, sich wechselseitig ehrlich offenbaren. Damit dies gelingen kann, ist eine Vereinbarung zur Vertraulichkeit in aller Regel hilfreich.
Eigenverantwortlichkeit
In der Mediation sollen die Parteien ihren Konflikt selbst bearbeiten und eigene, auf ihre spezielle Situation passende Antworten für die Konfliktlösung finden. Sie sind die Experten in eigener Sache. Die Güterichter/innen sind für die Lösung des Konflikts nicht verantwortlich und für die Entscheidung des Streits keinesfalls zuständig (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 41 Nr. 8 ZPO). Vielmehr sind es die Parteien, die selbst eine Einigung aushandeln und herbeiführen.
Das Ziel einer Mediation bei dem/der Güterichter/in ist die Erarbeitung und Vereinbarung einer gemeinsamen Problemlösung durch die Parteien. Nach Möglichkeit sollen die getroffenen Vereinbarungen zukunftsorientiert sein; d. h. in die Zukunft weisen und auf lange Sicht beständig bleiben. Ein etwaiges Verschulden in der Vergangenheit ist nicht zentral maßgebend. Vielmehr sollen die Parteien konstruktiv und kooperativ individuelle und tragfähige Ergebnisse ausarbeiten, mit denen sie am Ende des Tages nachhaltig zufrieden sein können.
Vorteile der Mediation bei dem/r Güterichter/in
Gegenüber einer streitigen gerichtlichen Entscheidung bestehen insbesondere folgende Vorteile der Mediation beim Güterichter/ bei der Güterichterin:
- Selbstbestimmung der Parteien
- Vertraulichkeit und Nichtöffentlichkeit
- Planungssicherheit für die Parteien
- Berücksichtigung der Standpunkte, Interessen und Ziele der Parteien
- Zukunftsorientierte Lösungen
- Hohe Erfolgschancen
- Erhaltung, Wiederherstellung oder Neugestaltung der Beziehung
- Kostenersparnis
- Ersparnis an emotionalen Kosten, Steigerung der Zufriedenheit
- Positive persönliche Konflikterfahrung
- Zeitersparnis durch kurzfristige Terminanberaumung und Entfallen aufwändiger Schriftsätze
- Erzielung nachhaltiger Ergebnisse
- "Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung." Bundesverfassungsgericht vom 14.02.2007, 1 BvR 1351/01
Ablauf der Verhandlung bei dem/r Güterichter/in
Der Ablauf der Mediation bei dem/der Güterichter/in in der niedersächsischen Arbeitsgerichtsbarkeit entspricht im Wesentlichen den vorstehenden allgemeinen Angaben. Der Vorschlag für die Durchführung eines Güterichterverfahrens kann nicht nur von der für die streitige Entscheidung zuständigen Kammer erfolgen. Vielmehr kann die Initiative ebenso von den Parteien selbst oder den sie vertretenden Rechtsanwälten oder Verbandsvertretern ausgehen.
Ein Vertretungszwang besteht für die Güterichterverfahren vor den Arbeitsgerichten nicht. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter ist jedoch in vielen Fällen sinnvoll. Der Vertretungszwang, der für die Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht besteht, gilt dort regelmäßig auch für die Durchführung einer Mediation beim Güterichter.
Sobald alle Beteiligten mit der Durchführung einer Mediation beim Güterichter einverstanden sind, wird ein - in aller Regel zeitnaher - Termin vereinbart. Dieser dauert üblicher Weise nicht länger als zwei bis vier Stunden. Nur ausnahmsweise ist es geboten und sinnvoll, einen zweiten Verhandlungstermin zu vereinbaren.
Die Güterichterverhandlung ist nicht öffentlich. Über Inhalt und Ablauf wird gemäß § 159 Abs. 2 S. 2 ZPO nur auf ausdrücklichen, übereinstimmenden Antrag der Beteiligten ein Protokoll erstellt.
Kommt es zu einer Einigung der Beteiligten, wird diese in aller Regel protokolliert und somit eine schriftliche Vereinbarung geschlossen. Dabei kann der Güterichter einen Vergleich nach § 794 Abs.1 Nr. 1 ZPO beurkunden, aus dem die Beteiligten gegebenenfalls direkt vollstrecken können. Ist das Güterichterverfahren nicht erfolgreich, wird das Verfahren an die für die streitige Entscheidung zuständige Kammer zurückgegeben, die den Prozess fortsetzt.
Wegen der bestehenden Verschwiegenheitsverpflichtung darf und wird der/die Güterichter/in die für die Streitentscheidung zuständigen Richterinnen und Richter in keiner Weise über irgendwelche Inhalte und den Ablauf der Güterichterverhandlung informieren.
Durch die Inanspruchnahme des Güterichterverfahrens entstehen keine zusätzlichen Gerichtskosten. Vielmehr werden die Kosten potentieller Rechtsmittelinstanzen sogar eingespart.
Kosten für Zeugen, Sachverständige und sonstige gerichtliche Auslagen entstehen nicht, da bei einer in der Mediation beim Güterichter erzielten Einigung regelmäßig keine Beweisaufnahme erforderlich ist.
Den beteiligten Rechtsanwälten steht für die Teilnahme am Mediationsgespräch eine Terminsgebühr zu. Diese entsteht aber auch im ordentlichen Verfahren und fällt nicht doppelt an. Kommt es zu einem Vergleich, kann darüber hinaus - wie bei einem Vergleich im streitigen Verfahren - eine Einigungsgebühr abgerechnet werden.
Güterichter:innen in der Arbeitsgerichtsbarkeit
Derzeit finden Güterichterverfahren an folgenden Schwerpunktgerichten statt:
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Arbeitsgericht Braunschweig
Arbeitsgericht Emden
Arbeitsgericht Hildesheim: für die Arbeitsgerichte Hildesheim und Göttingen
Arbeitsgericht Hannover: für die Arbeitsgerichte Hannover, Hameln und Nienburg
Arbeitsgericht Lüneburg: für die Arbeitsgerichte Lüneburg, Verden, Stade und Celle
Arbeitsgericht Oldenburg: für die Arbeitsgerichts Oldenburg und Stade
Arbeitsgericht Osnabrück: für die Arbeitsgerichte Osnabrück, Lingen, Emden und Wilhelmshaven.
Arbeitsgericht Stade: für die Arbeitsgerichte Stade, Lüneburg und Oldenburg
Derzeit stehen folgende speziell geschulte Richterinnen und Richter der niedersächsischen Arbeitsgerichtsbarkeit als Güterichter:innen zur Verfügung:
- Bettina Rönnau, Direktorin des Arbeitsgerichts, Stade und Güterichterkoordinatorin
- Dr. Laura Purschwitz, Richterin am Arbeitsgericht, Hannover
- Eike Calbow, Direktor des Arbeitsgerichts, Emden
- Ralf Ermel, Richter am Arbeitsgericht, Lüneburg, stellv. Direktor
- Christine Urban, Richterin am Arbeitsgericht, Lüneburg
- Gesine Lehmann, Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht
- Dr. Steffen Lieske, Richter am Arbeitsgericht, Braunschweig, stellv. Direktor
- Angelika Quentin, Richterin am Arbeitsgericht, Hildesheim
- Thomas Schrader, Richter am Arbeitsgericht, Osnabrück, stellv. Direktor
- Tobias Walkling, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
- Dr. Donat Wege, Richter am Arbeitsgericht, Oldenburg