Vollzug der Sicherungsverwahrung
Mit Urteil vom 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungsgericht Bundes- und Landesgesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. Mai 2013 ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entwickeln. Es hat dazu konkrete Vorgaben gemacht, die sich auch mit der Vermeidung der Anordnung oder Vollstreckung der Sicherungsverwahrung befassen. Bei Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung sind danach schon im Vollzug der Freiheits- oder Jugendstrafe alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um deren Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu mindern.
Am 1. Juni 2013 sind fristgerecht umfangreiche bundes- und landesgesetzliche Neuregelungen in Kraft getreten. Die Neuregelungen der Bundesländer gehen - bei allen Unterschieden - auf die Ergebnisse einer Länderarbeitsgruppe zurück, die unter Federführung Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens unter Beteiligung des Bundesjustizministeriums die Grundlagen für die Gesetzesreform vorgelegt hat.
In Niedersachsen ist am 1. Juni 2013 das Gesetz zur Neuregelung des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen in Kraft getreten, mit dem ein eigenständiges Niedersächsisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (Nds.SVVollzG) geschaffen wurde. Es setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts konsequent um, indem es den Schwerpunkt auf die therapiegerichtete Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung legt. Sicherungsverwahrte haben nunmehr u.a. einen Rechtsanspruch auf alle individuell erforderlichen Behandlungsmaßnahmen. Die Vollzugsbehörde ist zudem verpflichtet, sie dabei motivierend zu unterstützen.Der niedersächsische Justizvollzug verfügt über Abteilungen für Sicherungsverwahrte an zwei Standorten:
Am 24. Mai 2013 wurde der Neubau eines Unterkunftshauses für Sicherungsverwahrte in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf eröffnet. Damit wurde ein entscheidender Schritt in der Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts getan. Der Neubau hat eine Kapazität von 45 Plätzen. Die Unterkunftsbereiche sind über drei Etagen auf sechs Wohngruppen verteilt. Sie haben jeweils eine Grundfläche von rund 23 qm, verfügen über einen Schlaf- und Wohnbereich sowie über ein Bad mit Dusche. Die Sicherungsverwahrten dürfen diese nach ihren individuellen Bedürfnissen einrichten. Drei Unterkunftsbereiche sind behindertengerecht errichtet und ausgestattet worden.
Die Abteilung Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Meppen wurde am 27.09.2018 eröffnet. Sie umfasst eine ebenerdige Wohngruppe mit 10 Unterkunftsbereichen, von denen einer rollstuhlgerecht ist, die übrigen sind rollatorgerecht. Die Unterkunftsbereiche sind denen der Abteilung in Rosdorf ähnlich: die Grundfläche beträgt jeweils rund 23 qm und sie verfügen über einen Schlaf- und Wohnbereich sowie ein Bad mit Dusche. In dieser Abteilung wird der konzeptionelle Fokus auf die Aufnahme lebensälterer und mobilitätseingeschränkter Sicherungsverwahrter gerichtet, für die eine kleine Abteilung mit ruhiger Unterbringung geeignet erscheint. Durch den Standort im Nordwesten des Landes soll zudem den Sicherungsverwahrten der JVA Rosdorf mit sozialen Bezügen in dieser Region die Möglichkeit der Besuchsüberstellung oder der zeitlich effektiveren Gestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen geboten werden. Die Zuweisung von Sicherungsverwahrten in die Abteilung Meppen wird über die Abteilung Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf gesteuert.
Die Sicherungsverwahrten können sich in beiden Abteilungen der Sicherungsverwahrung im Areal der Wohnunterkünfte, zu denen auch jeweils ein großzügiges Außengelände mit Garten gehört, zu festgelegten Zeiten grundsätzlich frei bewegen.
Die interdisziplinär zusammengesetzten Vollzugs- und Behandlungsteams beider Abteilungen in Rosdorf sowie in Meppen bestehen aus ärztlichen, psychologischen, sozialpädagogischen, arbeits-/ergotherapeutischen, juristischen, verwaltungs- und vollzugspraktischen Fachkräften, die für die intensive Betreuung der Sicherungsverwahrten nach einem eigens entwickelten Behandlungs- und Therapiekonzept sorgen.
Die Abteilung zur Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf verfügt zudem über eine forensische Ambulanz für entlassene Sicherungsverwahrte im niedersächsischen Justizvollzug (FAS) im Sinne des § 72 Abs. 2 Nds. SVVollzG. Die Zuständigkeit umfasst sämtliche aus der Sicherungsverwahrung des Landes Niedersachen entlassenen Personen, folglich besteht sie ebenso auch für Sicherungsverwahrte, die aus der Abteilung Sicherungsverwahrung der JVA Meppen sowie in Folge einer Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan aus Vollzugseinrichtungen entlassen werden, in denen andere Freiheitsentziehungen nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) vollzogen werden.
Auftrag und Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe zur Erarbeitung gesetzlicher Grundlagen zur Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung - nicht barrierefrei
(PDF, 0,37 MB)
Informationen hierzu finden Sie im Impressum unter