Psychosoziale Prozessbegleitung in Niedersachsen
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Was ist psychosoziale Prozessbegleitung?
Die psychosoziale Prozessbegleitung stellt eine besonders intensive Form der Unterstützung für Verletzte von Straftaten dar.
Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter unterstützen durch Straftaten Verletzte sowie in bestimmten Fällen auch Angehörige vor, während und nach einem Strafverfahren. Sie geben ausführliche Informationen zu allen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehen. Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, dass die Belastungen für Verletzte durch einen Strafprozess reduziert werden. Auch im Alltag leisten sie eine wichtige Hilfestellung bei individuellen Problemlagen.
Psychosoziale Prozessbegleitung beginnt im besten Falle deutlich vor der Hauptverhandlung, im Einzelfall auch schon vor der Anzeigeerstattung, und kann - je nach Bedarf - auch nach Beendigung des Strafverfahrens fortgeführt werden.
Wer kann psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch nehmen?
Das Angebot der psychosozialen Prozessbegleitung richtet sich an alle Verletzten, die infolge des Erlebens einer Straftat besonders belastet sind. Dabei werden besonders Kinder und Jugendliche, aber auch die Opfer von schweren Straftaten, wie zum Beispiel Gewalt- und Sexualdelikte, in den Blick genommen.
Seit dem 01.01.2017 besteht ein bundesweiter gesetzlicher Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung nach § 406g der Strafprozessordnung (StPO), nachdem bestimmte Personengruppen, die Opfer einer schweren Straftat geworden sind, auf Antrag beim Gericht eine psychosoziale Prozessbegleitung im Wege der Beiordnung erhalten können. Dazu zählen Kinder und Jugendliche, Erwachsene, die entweder selbst ein Gewalt- oder Sexualverbrechen erlebt haben oder aber Angehörige, die unter besonders schweren Tatfolgen leiden. Auch Menschen, die ihre Interessen nicht selbst vertreten können, zählen zu diesem Personenkreis. Über einen Antrag auf Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleiterin oder eines psychosozialen Prozessbegleiters entscheidet das Gericht, welches auch die Kosten übernimmt.
In Niedersachsen können Verletzte das Angebot der psychosozialen Prozessbegleitung aber auch in allen übrigen Fällen in Anspruch nehmen, wenn ein entsprechender Bedarf besteht. Hierfür ist dann kein gesonderter Antrag notwendig, weil das Angebot über eine Zuwendung des Landes Niedersachsen zusätzlich finanziert wird.
Das Angebot der psychosozialen Prozessbegleitung ist für die Verletzten in jedem Falle kostenlos.
Welches Ziel verfolgt psychosoziale Prozessbegleitung?
Die psychosoziale Prozessbegleitung verfolgt das Ziel, Verletzte zu stabilisieren und zu stärken sowie die Belastung der Verletzten zu reduzieren. Die intensive, individuelle Betreuung und Begleitung seitens der psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter trägt dazu bei, eine Sekundärviktimisierung zu vermeiden. Verletzte sollen nicht „erneut zu einem Opfer werden“.
Die Aussagebereitschaft und -fähigkeit als Zeuginnen und Zeugen soll hierdurch gestärkt werden.
Wovon ist psychosoziale Prozessbegleitung abzugrenzen?
Während der psychosozialen Prozessbegleitung findet keine Aufarbeitung der Tat(en) statt. Es wird auch nicht über das Tatgeschehen selbst gesprochen.
Psychosoziale Prozessbegleitung ersetzt keine psychotherapeutische Behandlung und rechtliche Beratung oder Vertretung!
Was leistet psychosoziale Prozessbegleitung?
Psychosoziale Prozessbegleitung
- ermöglicht es, Fragen und Unsicherheiten in einem vertrauten Rahmen zu besprechen;
- bietet Begleitung an, zum Beispiel bei Antragsstellungen und bei Terminen vor Gericht;
- gibt ausführliche Informationen zu den Rechten und Pflichten der Betroffenen sowie Abläufen von Ermittlungs- und Strafverfahren;
- hilft, Belastungen zu reduzieren und vermittelt an weitere unterstützende Angebote (z.B. Ärztinnen und Ärzte oder Therapeutinnen und Therapeuten) sowie an eine rechtliche Vertretung und
- leistet auch im Alltag wichtige Hilfestellung in den ganz persönlichen Problemlagen.
Über welche Qualifikationen verfügen psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter?
Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter sind erfahrene und interdisziplinär speziell geschulte Fachkräfte, die mit allen am Strafverfahren beteiligten Berufsgruppen kooperieren. Sie wissen um die Rolle und Aufgaben der Verfahrensbeteiligten und sind mit strafprozessualen Rahmenbedingungen ebenso vertraut wie mit den Folgen der Straftaten für die Verletzten. Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter arbeiten nach sozialarbeiterischen Standards (Qualitätsstandards für die Durchführung der psychosozialen Prozessbegleitung in Niedersachsen (PDF ist nicht barrierefrei)).
Für die Ausübung der Tätigkeit ist eine bestimmte Qualifizierung und eine Anerkennung des Niedersächsischen Justizministeriums notwendig.
In Niedersachsen wurde eine eigene, auf den Niedersächsischen Qualitätsstandards aufbauende, berufsbegleitende, modularisierte Qualifizierungsmaßnahme konzipiert. Diese wird von der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen umgesetzt. Weitere im Land Niedersachsen anerkannte Aus- und Weiterbildungen finden Sie hier.
Eine Anerkennung als psychosoziale Prozessbegleiterin oder -begleiter in Niedersachsen können Sie unter https://www.navo.niedersachsen.de/navo2/go/a/6429?c=bc beantragen. Änderungs-,Verlängerungs-,Beendigungs- oder Unterbrechungsanträge können Sie unter https://www.navo.niedersachsen.de/navo2/go/a/6430?c=bc stellen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die Anerkennungsstelle Herrn Veit Koch, Telefon: 0511 120-8722, E-Mail: veit.koch1@mj.niedersachsen.de.
An wen kann ich mich wenden?
Eine Liste der in Niedersachsen tätigen psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter finden Sie auf dieser Seite im Downloadbereich.
Wenden Sie sich bei Fragen oder für die Vermittlung an eine psychosoziale Prozessbegleitung in Ihrer Nähe gern auch telefonisch an das
Niedersächsische Justizministerium
Koordinierende Stelle der psychosozialen Prozessbegleitung
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel.: 0511 120-8728
E-Mail: MJH-KoordinierungsstellepProbe@justiz.niedersachsen.de