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Verwaltungsgerichtsbarkeit im Überblick
Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein junger Zweig der Justiz. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war eine Überprüfung von Verwaltungstätigkeit durch unabhängige Gerichte nicht möglich. Der Einzelne, der durch eine Verwaltungsentscheidung betroffen war, konnte sich nur an die nächst höhere Behörde wenden, die die Entscheidung in einem formalisierten Verfahren, das etwa dem heutigen Widerspruchsverfahren ähnelt, überprüft hat. Diese Überprüfung wurde jedoch stets von Beamten vorgenommen und ist mit einer Entscheidung durch einen unabhängigen Richter nicht zu vergleichen.
Der erste deutsche Verwaltungsgerichtshof wurde 1863 im Großherzogtum Baden errichtet. Das Preußische Oberverwaltungsgericht wurde 1875 errichtet. 1875 wurde auch im Großherzogtum Hessen die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt, 1876 in Württemberg und in Bayern 1879. Die übrigen Einzelstaaten des Deutschen Reiches von 1871 gründeten ihre Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe später. Im Zuge der Annektierung des Königreichs Hannover durch das Königreich Preußen wurde die preußische Provinz Hannover im Jahr 1885 in das System der preußischen Landesverwaltung einbezogen, zu dem Einrichtungen des Verwaltungsrechtsschutzes gehörten. Für das Herzogtum Braunschweig verabschiedete dessen Landesversammlung im Februar 1895 das „Gesetz betr. die Verwaltungsrechtspflege“, das am 1. April 1896 in Kraft trat und die Grundlage für die gleichzeitige Errichtung des Braunschweigischen Verwaltungsgerichtshofs bildete. Durch das „Gesetz betr. die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ des Großherzogtums Oldenburg, das am 1. Dezember 1906 in Kraft trat, wurde das Oldenburger Oberverwaltungsgericht errichtet. Die Trennung von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit war jedoch zunächst nur unzureichend vollzogen. Die Unterinstanz - also die heutigen Verwaltungsgerichte - gab es nicht. Die erste Instanz war den Behörden angegliedert und personell mit ihnen verbunden. Auch ein Verwaltungsgerichtshof mit reichsweiter Zuständigkeit existierte nicht.
Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit schrittweise abgebaut. Mit Erlass vom 28. August 1939 wurde „an die Stelle der Anfechtung einer Verfügung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren […] die Anfechtung im Beschwerdewege bei der vorgesetzten Behörde oder der Aufsichtsbehörde“ gesetzt. „Die Beschwerdebehörde [konnte] im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder die besonderen Umstände des Einzelfalls statt der Beschwerde das verwaltungsgerichtliche Verfahren zulassen.“ 1944 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit generell abgeschafft.
Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches bestand bei der Errichtung des neuen Rechtsstaates Übereinstimmung, dass ein umfassender Rechtsschutz des Bürgers gegenüber dem Staat durch unabhängige Organe der Rechtspflege gewährleistet werden müsse. Der Alliierte Kontrollrat ordnete mit seinem Gesetz Nr. 36 vom 31. Oktober 1946 die Wiedererrichtung von Verwaltungsgerichten an.
Im Zuge der Bildung des Landes Niedersachsen ordnete und vereinheitlichte die britische Militärregierung die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zunächst wurde mit Wirkung vom 1. April 1948 durch die Verordnung Nr. 141 der Zugang zu den Verwaltungsgerichten grundlegend neu geregelt. Nur wenig später wurde diese Verordnung durch die am 15. September 1948 in Kraft getretene Verordnung Nr. 165 ersetzt, die das für die Arbeit der Verwaltungsgerichte maßgebliche Prozessrecht bildete. Aufgrund dieser Verordnung wurden die bestehenden Gerichte aufgelöst und in Niedersachsen durch drei Landesverwaltungsgerichte in Braunschweig, Hannover und Oldenburg ersetzt. Durch das Gesetz vom 28. März 1949 wurde das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen mit Sitz in Lüneburg am 1. April 1949 errichtet. Mit dem am 7./25. Juli 1949 abgeschlossenen Staatsvertrag der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurde die Errichtung eines gemeinsamen „Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein“ vereinbart. Das Land Schleswig-Holstein kündigte diesen Staatsvertrag und richtete im Jahr 1991 ein eigenes Oberverwaltungsgericht ein. Seither führt die oberste verwaltungsgerichtliche Instanz in Niedersachsen die Bezeichnung „Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht“.
Eine einheitliche Prozessordnung für die ganze Bundesrepublik trat mit der Verwaltungsgerichtsordnung erst am 1. April 1960 in Kraft. In der Verwaltungsgerichtsordnung ist bundeseinheitlich der Aufbau, die Organisation und der Gang des Verfahrens für die Verwaltungsgerichte geregelt.
Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichte entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art (§ 40 Abs. 1 VwGO), soweit diese nicht durch Gesetz einer anderen Gerichtsbarkeit - z. B. der Sozial- oder Finanzgerichtsbarkeit - übertragen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind vornehmlich solche zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und Verwaltungsbehörden auf der anderen Seite. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es, Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung zu gewähren. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes bestimmt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“
Fühlt sich eine Bürgerin bzw. ein Bürger durch rechtswidrige Eingriffe der Verwaltung in ihren/seinen Rechten verletzt oder meint sie/er, einen Anspruch gegen die Verwaltung zu haben, den die Verwaltung verweigert, kann die Bürgerin bzw. der Bürger - in manchen Fällen erst, nachdem ihr/sein Widerspruch gegen den Bescheid erfolglos geblieben ist - bei dem Verwaltungsgericht Klage erheben. Das Gericht hat die Befugnis, nach eingehender Prüfung der Angelegenheit die behördliche Entscheidung aufzuheben, wenn sie die Bürgerin bzw. den Bürger in ihren/seinen Rechten verletzt, oder die Behörde zum Erlass der beantragten Maßnahme oder Genehmigung zu verpflichten, wenn sie der Bürgerin bzw. dem Bürger zu Unrecht verweigert wurde.
Klassische Rechtsgebiete des Verwaltungsgerichtsverfahrens sind unter anderem das Bau- und Planungsrecht, das Polizeirecht, das Straßen- und Straßenverkehrsrecht, das Abgabenrecht, das Beamtenrecht, das Umwelt- und Naturschutzrecht, das Schul- und Hochschulrecht sowie das Ausländer- und Asylrecht.
Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat drei Instanzen, d. h. Gerichtsstufen. Die Instanzen gliedern sich in die Verwaltungsgerichte, die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe und das Bundesverwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht ist in aller Regel das Eingangsgericht. Klagen sind also regelmäßig dort und nicht beim Oberverwaltungsgericht oder beim Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Die Spruchkörper der Verwaltungsgerichte werden als Kammern bezeichnet. Mit Ausnahme einfach gelagerter Fälle, die von der Einzelrichterin bzw. dem Einzelrichter entschieden werden, ergehen die Urteile regelmäßig in der Besetzung mit fünf Richterinnen und Richtern: drei Berufsrichterinnen bzw. Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung (insbesondere in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes) ist eine Beteiligung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter nicht vorgesehen. Bundesweit bestehen derzeit über 50 Verwaltungsgerichte mit einer jeweils unterschiedlichen Anzahl von Kammern. Niedersachsen hat insgesamt sieben Verwaltungsgerichte: In Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, und Stade. Jedes Gericht hat eine örtlich begrenzte Zuständigkeit, die sich auf mehrere Landkreise erstreckt.
Über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte entscheidet in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht oder - wie es in einigen süddeutschen Ländern heißt - der Verwaltungsgerichtshof. Das Oberverwaltungsgericht ist daneben in erster Instanz zuständig für Streitigkeiten, die technische Großvorhaben betreffen, z. B. Atomanlagen, große Kraftwerke, große Verkehrsflughäfen und Autobahnen. Eine erstinstanzliche Zuständigkeit ist auch gegeben bei sog. Normenkontrollverfahren, bei denen das Oberverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit von Satzungen entscheidet. Die Spruchkörper bei den Oberverwaltungsgerichten heißen Senat. Auch vor dem Oberverwaltungsgericht ergehen Urteile regelmäßig in der Besetzung mit fünf Richterinnen und Richtern: drei Berufsrichterinnen bzw. Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung entscheiden die Senate in der Besetzung von drei Berufsrichterinnen und -richtern. In fast jedem Bundesland ist ein solches Obergericht eingerichtet (Ausnahme: gemeinsames Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg), so dass es in Deutschland insgesamt 15 Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe gibt. In Niedersachsen ist es das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Sitz in Lüneburg.
Gegen Urteile der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe steht den Beteiligten unter bestimmten - in der Verwaltungsgerichtsordnung näher bezeichneten - Voraussetzungen die Revision an das höchste Verwaltungsgericht in Deutschland zu - das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht ist daneben in engen Ausnahmefällen erstinstanzlich zuständig, u. a. für Streitigkeiten, die die Planung und den Ausbau von Verkehrswegen in den neuen Ländern sowie im Land Berlin betreffen, für Klagen gegen vom Bundesminister des Inneren ausgesprochene Vereinsverbote und für Klagen gegen den Bund, denen dienstrechtliche Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen. Die Senate des Bundesverwaltungsgerichts entscheiden in der Besetzung von fünf, bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung in der Besetzung von drei Berufsrichterinnen und -richtern.
Welche Kammern des Verwaltungsgerichts oder welcher der Senate des Oberverwaltungsgerichts/Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts für ein Verfahren zuständig ist, ist im Geschäftsverteilungsplan des jeweiligen Gerichts festgelegt.