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Aussetzung der Vollziehung

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schriftiches Verfahren

Gegenstand

Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Aussetzungsverfahrens

Verfahrensgang nach Antragstellung

Die gerichtliche Entscheidung und ihre Folgen

Rechtsmittel

In Niedersachsen dauern verwaltungsgerichtliche Klageverfahren durchschnittlich 22 Monate. In der Zeit von der Klageerhebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung besteht die Gefahr, dass durch den Vollzug des angegriffenen Verwaltungsaktes oder durch das Vorenthalten einer begehrten Leistung dem Betroffenen große Nachteile entstehen. Um diese Nachteile zu mindern oder auszuschließen, besteht die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes (sog. Eilverfahren). In einem Eilverfahren kann eine vorläufige Entscheidung getroffen werden. Verwaltungsgerichtliche Eilverfahren dauern in Niedersachsen durchschnittlich etwa zwei Monat.

Grundsätzlich werden dabei zwei Verfahrensarten unterschieden:

  • Aussetzung der Vollziehung durch Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO)
  • Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO)

Im Folgenden soll die Aussetzung der Vollziehung näher dargestellt werden.

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Gegenstand

Hat die Behörde gegenüber einer Bürgerin bzw. einem Bürger einen belastenden Verwaltungsakt (z. B. baurechtliche Abrissverfügung, Entzug der Fahrerlaubnis) erlassen, so hat ein dagegen eingelegter Widerspruch bzw. eine dagegen erhobene Klage grundsätzlich kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass die Behörde den Verwaltungsakt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf nicht vollziehen darf (Suspensiveffekt).

In bestimmten Fällen ist jedoch gesetzlich bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe entfällt. Dies ist etwa der Fall, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse besonders angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt auch bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten, also etwa bei der Festsetzung und Anforderung von Erschließungsbeiträgen, Müllgebühren, Abwassergebühren, etc. Die aufschiebende Wirkung entfällt auch bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten. Die Behörde darf in all diesen Fällen den Veraltungsakt vollziehen und zwangsweise durchsetzen, selbst wenn die/der Betroffene gegen den Verwaltungsakt Widerspruch und/oder Klage erhoben hat.

Um in den letztgenannten Fällen keinen vollendeten Tatsachen ausgesetzt zu sein, kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der/des Betroffenen die aufschiebende Wirkung ihres/seines Widerspruchs bzw. ihrer/seiner Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung ganz oder teilweise anordnen bzw. wiederherstellen.

Bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten gibt es eine Sonderregelung. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist hier nicht automatisch zulässig. Ein Antrag bei Gericht ist in diesem Sachgebiet erst dann zulässig, wenn zuvor die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat. Der Antrag an das Gericht ist aber auch zulässig, wenn die Behörde über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht in angemessener Zeit entscheidet oder die Vollstreckung droht.

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Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Aussetzungsverfahrens

Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, d. h. auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Klage oder Widerspruch, kann schriftlich per Brief oder Fax oder dadurch erhoben werden, dass die/der rechtsschutzsuchende Bürgerin bzw. Bürger während der Sprechzeiten bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts vorspricht und ihren/seinen Antrag protokollieren lässt. Der Versand per E-Mail ist nicht geeignet, um wirksam einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu stellen und dem Gericht rechtswirksame Erklärungen und Schriftsätze zukommen zu lassen. Allerdings bieten das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und alle Verwaltungsgerichte in Niedersachsen die Möglichkeit der rechtsverbindlichen elektronischen Kommunikation über das jeweilige Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) an. Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere Voraussetzungen zu beachten, die § 55a VwGO, § 174 ZPO und der bundeseinheitlichen Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) entnommen werden können.

Die schriftliche Antragsschrift sollte mindestens Folgendes enthalten:

  • den Namen der Antragstellerin bzw. des Antragstellers und die vollständige Anschrift
  • die Bezeichnung des Verfahrensgegners (Antragsgegner)
  • Angaben zum Streitgegenstand
  • nach Möglichkeit einen konkreten und sachdienlichen Antrag und
  • die eigenhändige Unterschrift.

Wenn es an einem dieser Punkte fehlt, läuft die Antragstellerin bzw. der Antragsteller Gefahr, dass ihr/sein Antrag als unzulässig angesehen wird. Allerdings besteht in vielen Punkten die Möglichkeit einer Nachbesserung.

Der Antragsschrift sollten Abschriften für den Verfahrensgegner und der streitige Bescheid in Kopie beigefügt werden. Eine Antragsbegründung muss nicht sofort vorgelegt werden; sie kann später nachgereicht werden. Das Gericht kann dafür eine Frist setzen.

Für die Stellung eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht muss kein Rechtsanwalt beauftragt werden. Bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz besteht kein Anwaltszwang. Jede prozessfähige Bürgerin bzw. jeder prozessfähiger Bürger kann selbständig ein Verfahren betreiben.

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Verfahrensgang nach Antragstellung

Nachdem die Antragstellerin bzw. der Antragsteller den Antrag - persönlich oder durch einen Rechtsanwalt - gestellt hat, erhält sie/er zunächst eine Eingangsmitteilung des Gerichts. Gleichzeitig wird sie/er aufgefordert, den Antrag zu begründen, soweit dies noch nicht geschehen ist. Im weiteren Verlauf werden der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller die schriftlichen Äußerungen des Verfahrensgegners übermittelt, zu denen sie/er Stellung nehmen kann.

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Die gerichtliche Entscheidung und ihre Folgen

Über Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - d. h. auch über den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Klage oder Widerspruch - entscheiden die Berufsrichterinnen und -richter durch Beschluss in einem schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter wirken nicht mit. Dies dient der Beschleunigung der Sache.

Ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Klage oder Widerspruch ist begründet, d. h. hat Erfolg, wenn sich aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin bzw. des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung des belastenden Verwaltungsaktes das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt regelmäßig das Interesse der Antragstellerin bzw. des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung; ist er offensichtlich rechtmäßig, hat regelmäßig das öffentliche Interesse an der Vollziehung Vorrang.

Die aufschiebende Wirkung tritt erst mit der Anordnung oder Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung ein. Sie wirkt jedoch in der Regel zurück auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Klage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Das Oberverwaltungsgericht kann auf Antrag anordnen, dass die aufschiebende Wirkung andauert.

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Rechtsmittel

Ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht ohne Erfolg, kann dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Oberverwaltungsgericht eingeht. Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen.

Zu beachten ist: Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Dies bedeutet: Eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann wirksam nur durch einen Bevollmächtigen erhoben werden. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte zugelassen, aber auch andere qualifizierte Personen, die in § 67 VwGO genannt sind.

Im Einzelnen geben die Rechtsmittelbelehrungen unter den Entscheidungen des Gerichts Auskunft über das zulässige Rechtsmittel und die weiteren Erfordernisse. Aus der Rechtsmittelbelehrung ist außerdem zu ersehen, ob für die Einlegung eines Rechtsmittels ein Rechtsanwalt oder ein anderer qualifizierter Bevollmächtigter benötigt wird.

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